top of page
  • AutorenbildSarah

Eine Liebeserklärung an das Schreiben

„Und ich frage mich gelegentlich: Bin das ich? Oder bin ich schon so wie die im Fernsehen?“

In diesem Text verrate ich dir, wie mir das Schreiben dabei geholfen hat, diese Frage zu beantworten.


Ich bin ein bisschen aufgeregt, als ich dieses Dokument hier öffne und die ersten Worte tippe, um mich der Blogparade „Schreiben über das Schreiben“ von Anna Koschinski anzuschließen.

 

Denn das Schreiben und ich, das ist eine besondere Verbindung. Es ist mein lebenslanger Hyperfokus und die eine Konstante in meinem Leben, in dem ich es viele Jahre lang kaum geschafft habe, eine Sache konsequent zu Ende zu bringen.


Es ist schwierig in Worte zu fassen, was das Schreiben für mich so besonders macht.

Ich struggle oft genug, so wie das wahrscheinlich alle Texter:innen tun: Schiebe Textaufträge vor mir her, hadere mit meinen Einstiegssätzen, quäle mich durch zähe Textpassagen... Schreiben kann manchmal die Hölle sein, während der Zustand des "geschrieben haben"s immer die größten Glücksgefühle auslöst. Ich würde meinen Beruf trotzdem gegen nichts in der Welt eintauschen wollen – und erzähle dir heute, warum.

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

Seit wann? „Seit immer“

Ich bin eine der Personen, die von sich behaupten, „schon immer“ zu schreiben. Das stimmt natürlich nicht – schließlich wird niemand mit Stift und Papier in der Hand geboren.

 

Aber: Seit ich lesen kann, bin ich fasziniert von dem Gedanken, eigene Texte zu schreiben. Und seit ich selbst schreiben kann, tue ich genau das. Geschichten, Gedichte, kurze und längere Gedanken… nur mit dem klassischen Tagebuch konnte ich nie viel anfangen.

 

Das Schreiben – mein Safe Space

Ich hatte eine seltsame Kindheit. Ich bin ein Scheidungskind, bin mehrfach umgezogen und habe dadurch mehrmals die Schule gewechselt, habe zwei deutlich jüngere Schwestern und einen Stiefvater, der zu keinem Zeitpunkt Interesse an der Auszeichnung „Vater des Jahres“ gehabt hätte.


Nichts davon war besonders dramatisch, und trotzdem lag um mich herum immer ein Hauch von Chaos, von unterschwelliger Unaufgeräumtheit und Überforderung in der Luft.

Kein perfektes Umfeld für ein (wie ich damals noch nicht wusste) ADHS-Mädchen wie mich, das Strukturen vielleicht mehr als alles andere gebraucht hätte. 

 

Also schaffte ich mir meine eigene Ordnung im Kopf – und das ging für mich am besten schreibend. Zu meinem 10. Geburtstag wünschte ich mir eine Schreibmaschine (Disclaimer: Damals, im Jahr 1993, steckten (Heim-)Computer und ähnliche Geräte noch in den Kinderschuhen).

 

Und damit schrieb ich. Jeden Tag. Zu 99% schrieb ich Pferdegeschichten im Stil meiner Lieblingsbücher.

In meinem Kopf und auf meinem Papier entstanden riesige Pferdehof-Welten: Ich zeichnete Grundrisse für Gestüte und Stallungen, ich legte Karteikarten mit Namen und Eigenschaften der Protagonisten und ihrer Pferde an (Name, Rasse, Farbe, Charakter), ich skizzierte die Handlung akribisch auf, ich schrieb Szenen und Dialoge – ich tauchte stundenlang komplett ab in fremde Welten, die nur in meinem Kopf existierten.

 

Und genau hier konnte ich zur Ruhe kommen. Hier machte ich die Regeln. Hier war es friedlich, das Chaos in meinem Kopf verstummte, ich hatte Luft zum Atmen. Hier war ich zuhause.

 

Die Geschichten von damals sind inzwischen irgendwo verschollen und ich bin mir sicher, dass sie so oder so nicht besonders lesenswert gewesen wären. Aber darum geht es nicht und ging es nie.

 

Was viel wichtiger war: Mit dem Schreiben hatte ich mir meinen eigenen Safe Space gebaut.

Und der existiert auch heute noch, wenn auch in einer erwachseneren Form und abseits des Reitstalls.

 

Schreiben = Texten?

Fast Forward: Von den Pferdegeschichten habe ich mich längst verabschiedet.

Aber das Schreiben begleitet mich bis heute und bestimmt mittlerweile den Großteil meines Tages. Klar, ich war immer gut darin – ich hatte ja jede Menge Übung, und nach der 10.000-Stunden-Regel ist das ja praktisch DIE Voraussetzung für echtes Können.

 

Der klassische ADHS-Lebenslauf mit vielen begonnenen und wenigen beendeten Ausbildungs- und Studiengängen hat mich zwischendurch auf ein paar Irrwege geführt, aber ich fand den Weg zurück und schreibe bzw. texte mittlerweile seit 13 Jahren hauptberuflich.

 

Und ja, ich weiß schon: Das Schreiben ist nicht unbedingt mit dem Texten gleichzusetzen. Als Texterin ist mir das klar.

Texten funktioniert anders und basiert auf einer anderen Ausgangslage. Man stellt sich Fragen, mit denen man sich beim Schreiben nicht zwingend auseinandersetzen muss. Man braucht mehr Struktur, mehr Strategie, einen stärkeren Fokus auf ein definiertes Ziel... Es ist Schreiben auf einer anderen, professionelleren Bühne. Heutzutage wird dafür gern der Begriff Copywriting wie die berühmte Sau durchs Dorf getrieben (was ich manchmal etwas albern finde, aber das ist wohl eher eine unpopuläre Meinung).

 

Ehrlich gesagt: Für mich persönlich ist der Unterschied gar nicht so riesig.

Sowohl im privaten Schreiben als auch im Texten steckt immer meine Liebe zum geschriebenen Wort. Ich feiere gelungene Formulierungen, ich inhaliere Sätze, die so pointiert geschrieben sind, dass sie mein Herz hüpfen lassen… und ich liebe es in beiden Fällen, in Worte und Sätze abzutauchen und so lange in meinem selbst angelegten Schreibsee herumzuschnorcheln, bis jeder einzelne Buchstabe sitzt.




 

Leg die Maske ab

Schon bevor ich mit Anfang 20 meine ADHS-Diagnose bekam, war mir immer klar: Irgendwas ist mit mir anders. Nie gehöre ich irgendwo dazu, immer bin ich sensibler als andere, habe viele Ideen, die niemand versteht, und verbringe zu viel Zeit in meiner eigenen Welt, zu der außer mir niemand Zugang hat.

 

Aus heutiger Sicht alles nachvollziehbar und gar nicht so schlimm. Als Kind und Jugendliche will man aber irgendwann vor allem eines: dazugehören.

 

Und so machte ich das, was so viele ADHSler tun: Wir maskieren. Das bedeutet, dass wir unser Verhalten an neurotypische Menschen anpassen und anfangen, sie zu imitieren, was wahnsinnig viel Energie kostet.

Ich will jetzt nicht zu weit ins Detail gehen, aber so viel sei gesagt: Wenn man es damit übertreibt (so wie ich das getan habe), verliert man sich irgendwann selbst. Man WEISS einfach gar nicht mehr, wer man wirklich ist, auch wenn man versucht, die Maske abzulegen.

 

In den letzten Jahren habe ich viel Zeit damit verbracht, meine Maske Stück für Stück abzutragen, und ehrlich gesagt: Ich bin ziemlich stolz darauf, dass mir das bis hierher gut gelungen ist, auch wenn der Prozess noch andauert.

 

Und was hat mir dabei geholfen? Genau: Das persönliche Schreiben nur für mich.

Das hatte ich nämlich zwischen meinen Aufträgen als Texterin ziemlich vernachlässigt.

 

Also beschloss ich, wieder in meine Schreibroutine zu finden. Ich entdeckte meine Schreibstimme neu – und damit auch mich selbst. Schreibend fand ich wieder zu mir selbst. Ich merkte, dass ich keine Lust mehr darauf habe, so zu tun, als sei ich jemand anderes. Dass mir das alles viel zu anstrengend ist und ich lieber eine unperfekte, aber dafür echte Version von mir selbst bin.

Und ich bin mir sicher: An diesen Punkt wäre ich ohne das Schreiben nicht gekommen.

 

Wo soll’s hingehen?

Zurück zum „schon immer“ schreiben: Ungefähr so lange ist es auch mein Traum, einen eigenen Roman zu veröffentlichen (ja, ich schätze, das ist jetzt nicht gerade ein Plot Twist).  Bei jedem einzelnen Buchladenbesuch stelle ich mir vor, wie das wohl wäre, meine eigenen Bücher in den Regalen vorzufinden.

 

Davon bin ich aktuell ziemlich weit entfernt, vor allem aus Zeitgründen. Ich habe mehrere Ideen in der Schublade, davon eine sogar relativ weit ausgearbeitet – aber wann anfangen? Ich habe keine Ahnung.

Täglich 10 Minuten schreiben, täglich 100 Wörter, das wäre eine Art der Annäherung –  erstmal online wieder mehr eigene Texte veröffentlichen eine andere.

Manchmal frage ich mich: Ist es wirklich die Zeit, die mich abhält? Oder hält mich eher der Selbstzweifel zurück? Die innere Kritikerin, die mir zuflüstert: „Das will doch sowieso niemand lesen“?

 

So oder so – tief in mir drin glaube ich immer noch fest daran: Eines Tages wird das was mit dem eigenen Buch. Ich muss nur noch anfangen.




 

33 Ansichten1 Kommentar

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page